Liebe Melanie, lieber Matthias, liebe Festgemeinde!
Wir feiern hier eure Eheschließung, aber oft ist uns gar nicht so klar, wie Gott sich das eigentlich gedacht hat — Was ist überhaupt Ehe in seinem Sinn?
Ich gebe euch fünf Punkte, an denen möchte ich es deutlich machen:
1. Ehe ist göttliche Freude
2. Ehe ist ein Dreierbund
3. Ehe ist ein Bekenntnis
4. Ehe ist ein Sterben
5. Ehe ist Weggemeinschaft
Ehe ist göttliche Freude! Wer die Bibel aufschlägt, entdeckt auf den ersten Seiten: Gott hat den Menschen zur Ehe hin geschaffen und bestimmt --- und das von Anfang an. Als "Mann und Frau" ist er ein Abbild Gottes. Die lebendige Gemeinschaft der Liebe von Mann und Frau --- das ist es, worin Gott sein eigenes Wesen spiegeln will. Die trinitarische Lebendigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist spiegelt sich in Mann und Frau, dem einen Bild Gottes.
Und deshalb drückt Gott seinen Lebenswillen in diesem Miteinander von Mann und Frau aus. Er delegiert seine Kreativität, seine Schöpferkraft an diese Gemeinschaft. Eine produktive Spannung entsteht. Immer neues Leben geht daraus hervor. Das ist die unvergleichliche Würde, die Gott der Ehe verliehen hat. Das schließt nicht aus, daß Gott Menschen ohne Partner sein läßt, aber dieses Vorrecht, sein Bild der Liebe zu sein und seinen Lebenswillen auszudrücken, dieses Vorrecht spricht er der Ehe zu.
Gott hat seine helle Freude an einem mutigen Paar, das sich traut, zu heiraten.
Ehe ist göttliche Freude. Nichts freut Gott mehr, als daß Menschen in die Segensräume eintreten, die er für sie geschaffen hat. An Jesus wird das klar: Im "hochgeistlichen Johannesevangelium" --- was ist das erste Zeichen, das Jesus tut? Er feiert eine Hochzeit! Er gibt ihr erst den richtigen Schwung, bringt Ausgelassenheit hinein. Und am Schluß heißt es: "Damit offenbarte er seine Herrlichkeit". Weil Gott sich so über die Ehe freut, deshalb läßt Christus dort seine Herrlichkeit aufblitzen. Da kannst Du erkennen, wie lieb Jesus das ist, wenn Leute heiraten. Hier merkt ihr, Melanie und Matthias, wie sehr sich Jesus jetzt über Euch freut.
Ehe ist göttliche Freude, die euch anstecken wird. Ihr werdet euch freuen, wie man sich über eine Erfindung freut, die gut funktioniert. Wenn ihr merkt, wie toll es ist, daß man einander ganz tief verstehen kann. Wenn ihr erlebt, wie der Andere mich trägt und stützt, wie er manchmal meine Defizite ausfüllt, dann merkt ihr: Ehe ist eine tolle Erfindung Gottes, die euch froh machen wird.
Ehe ist die Freude, einen anderen Menschen zu entdecken: Kathrin und ich sind jetzt schon fünf Jahre verheiratet, also ewig --- und trotzdem sagt einer immer mal wieder "Du bist so anders!" Ich staune immer wieder, was das für ein schöner, eigenartiger Mensch ist, mit dem ich da zusammenleben darf.
Ehe wird euch göttliche Freude bereiten, wenn ihr entdeckt, was dabei alles herauskommen kann: z.B. die Fähigkeit, Schweres zu ertragen oder vielleicht das Wunder, daß aus eurer Liebe ein neuer Mensch hervorgehen darf. Wer auf einmal so ein Kind im Arm hat, der weiß genau: Das haben wir nicht gemacht, das wurde uns geschenkt.
Euer Trauspruch ist aus dem 32. Psalm. In diesem Psalm werden drei Schritte beschrieben, auf denen Gott Menschen in die Freude führt: Am Anfang steht die Erfahrung, daß Gott mir meine Sünde aufdeckt. Er ermutigt mich, sie mit aufrichtigem Herzen zu bekennen. "Ich sprach, ich will dem Herrn meine Übertretungen bekennen. Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde." Vergebung --- der grundlegende Schritt zur Freude. Dann erfahre ich bei ihm Bewahrung: Seine Heiligen schreien zu ihm in der Not, und Gott rettet sie. Der dritte Schritt heißt Wegweisung. Hier steht euer Trauspruch. Gott führt euch den guten Weg durchs Leben. Da kommt Freude auf, göttliche Freude: "Freut euch am Herrn, ihr gerecht Gemachten! Seid fröhlich, die ihr ein gerades Herz habt! Jauchzt und jubelt --- Gott reißt euch raus in die Freude!"
Ehe ist ein Dreierbund. Moment mal --- denkt jetzt sicher mancher. Wieso drei? Damit meine ich, daß es bei euch nicht zuallererst heißt "Matthias, meine Freude" oder "Melanie, meine Freude", sondern "Jesus, meine Freude ... Gottes Lamm mein Bräutigam." Diese geistliche Ehe ist der erste Bund, in dem jeder Christ steht. Diesen Treubund hat Jesus mit dir aufgerichtet, als er für dich ans Kreuz gegangen ist. Dort hat Gott sich festnageln lassen auf die Liebe zu dir. Diese Liebe geht eurer Liebe voraus und wird sie tragen. "Das ist der neue Bund in meinem Blut ..." sagt Jesus. Dieser Bund trägt euren Ehebund. Das wirkt sich aus in einer gottgegebenen Verbundenheit und in einer großen Freiheit: Jesus verbindet euch im gemeinsamen Gebet und in geistlichen Einsichten, die ihr gemeinsam erringt. Ihr habt mir von dem schönen Bild erzählt, das euch durch eure Ehe begleiten soll: Die Ehe ist wie eine Pyramide, je näher ihr zur Spitze, zu Jesus kommt, desto näher kommt ihr auch zueinander. Jesus verbindet euch enger, als Menschen das aus eigener Kraft erreichen können. Er verbindet euch auch im Dienst, Menschen aufzunehmen und zu tragen. Euer Haus kann eine Wärmestube, ein Schutzraum werden für viele.
Aber der Dreierbund mit Gott schafft nicht nur Verbundenheit miteinander, sondern auch Freiheit voneinander: Jeder hat seine eigene Stärke in Gott, bleibt eine eigene Persönlichkeit mit eigenem Gewissen. So schützt Jesus uns vor ungesunder Abhängigkeit oder Hörigkeit. In ihm werdet ihr auch den Mut finden, dem Anderen zu widerstehen, wo er Gottes Willen verletzt. Es kann durchaus mal sein, daß der Partner --- vielleicht sogar mit einer frommen, berechtigten Sache --- die Freiheit meiner Person verletzt. Da soll es sich dann bewähren, daß ich in erster Linie Gottes Kind bin und erst danach die Frau meines Mannes oder der Mann meiner Frau.
Ehe ist ein Bekenntnis! Es ist heute ja gar nicht selbstverständlich, daß Paare heiraten. Und dem Augenschein nach gibt es ja tatsächlich gute Gründe dagegen. Wir kennen alle unglückliche und zerbrochene Ehen. Aber Gott sagt, daß das die Lebensform ist, in der er Liebe, Partnerschaft und Sexualität segnen will. Da wird Ehe zu einem Bekenntnis zu Gottes guten Lebensordnungen. Damit ist sie auch ein Bekenntnis zur Zukunft, als einer Zukunft, über die Gott regiert und nicht das Schicksal. Wer heiratet, übernimmt Verantwortung für einen anderen Menschen, so wie meine Eltern Verantwortung füreinander und für mich übernommen haben. Insofern ist die Eheschließung der Kinder die größte Anerkennung und Bestätigung, die Eltern erfahren können. Sie besagt doch auch: Eure Mühe und Liebe war nicht umsonst. Sie macht mich bereit, selbst Liebe und Treue zu geben. Ehe ist ein Bekenntnis zu Gottes guten Ordnungen gegen den Strom der Zeit.
Ich komme zu der vielleicht anstößigsten Definition der Ehe: Ehe ist ein Sterben! Wie ist das gemeint? Gott hat eine Gebrauchsanweisung für die Ehe gegeben: in Epheser 5 fordert er uns auf "ordnet euch einander unter, dient einander, liebt einander, wie Christus die Gemeinde geliebt hat!" Was ist diese Liebe Jesu, die in unseren Ehen Gestalt gewinnen will? Es ist sein Sterben für uns. Also bedeutet christliche Liebe, mit Christus zu sterben. Nur dann mache ich mit dem Kreuz Christi ernst, wenn ich an ihm mein altes selbstsüchtiges Wesen in den Tod gebe.
Melanie und Matthias --- Ihr seid jeder für sich ausgeprägte Persönlichkeiten mit außergewöhnlichen Eigenarten und Prinzipien. Wie ich euch kennengelernt habe, schafft ihr es beide, ausgefallenen Ideen und Überzeugungen hartnäckig durchzuhalten. Ich bin glücklich, daß ich so spannende Menschen kenne. Wenn ihr solche gemeinsamen Wege findet, wird es immer erfrischend und überraschend sein, zu euch zu kommen. Euer Haus wird eines werden, das angenehm aus der Rolle fällt.
Wenn aber einer seine Vorstellungen und Träume um jeden Preis durchsetzen will, wenn ihr nicht bereit seid, mit Christus zu sterben, wird euch das viel Schmerz und Verletzungen bringen. Ehe bedeutet eben auch: ich verabschiede mich von meiner selbstgefälligen Lebensgestaltung. Ich suche jetzt vor allem, was den Anderen aufbaut, was seine Stärke fördert, was ihn stützt, was ihn glücklich und froh macht --- kurz, was ihn näher zu Jesus bringt.
In der Ehe gilt, wie vielleicht nirgends sonst, das Grundgesetz der Nachfolge Jesu: "Wer sein Leben sucht, wird es verlieren; wer sein Leben verliert, der wird es finden". In der Ehe bedeutet das, selbstvergessen das zu suchen, was dem Partner dient und mit ihm zusammen für das Reich Gottes zu kämpfen. Wenn Ihr das tut, werdet ihr staunend entdecken, wie ihr gerade in dieser Selbstvergessenheit reif und glücklich werdet, was jeder für sich selbst ja gar nicht gesucht hatte.
Ehe ist ein Sterben, ein Sterben des Ego, das zur Liebe freimacht. Wo Ehe nicht auch als Sterben übernommen wird, kann sie nicht gelingen. Aber gerade so ist sie ein Abglanz des Sterbens Christi, das die Welt rettet. Weil beides zusammenhängt, Christi Sterben für uns und unser Sterben mit ihm, darum können wir dann auch in der Passionszeit Hochzeit feiern.
Als fünften Punkt komme ich zu dem Motiv, das schon eure Hochzeitsanzeige geprägt hat: Ehe ist Weggemeinschaft! Was mir daran spontan gefallen hat, ist die optimistische Blickrichtung, der Blick nach vorn in die gemeinsame Zukunft. Ganz weit vorn ist das Ziel eures gemeinsamen Weges klar: mit den Worten der Alten gesagt, besteht es darin, "daß einer den anderen mit in den Himmel bringe". Aber was ist mit der Strecke dazwischen? Gott ruft euch auf den Weg mit ihm. Aber eure gemeinsame Lebensaufgabe ist noch nicht klar zu erkennen. Führt der Weg aus den Strukturen eurer Herkunft heraus, aus dieser Gesellschaft und ihren Bindungen? Vielleicht in die Mission, in die radikale Änderung der Lebensverhältnisse, wie bei Abraham? Oder will Gott euch gerade in den Beziehungen, in die er euch hier gestellt hat, einsetzen und leuchten lassen? Daß ihr wie alle lebt, arbeitet und erzieht --- aber doch in einem neuen Geist, dem Geist des Herrn?
Wie immer es sich zeigt: ihr seid ab heute vor Gott eine Einheit. Er ruft euch nur noch gemeinsam. Wer meint, er sei allein von Gott gerufen, der hat sich verhört, oder aber Gott läßt ihn warten, bis das Herz des Partners auch so weit ist. Von der Wegweisung redet schließlich auch euer Trauvers. Ich habe ihn für euch noch einmal wörtlich übersetzt: Gott spricht:
"Ich werde dir Einsicht geben; ich werde dich lehren auf dem Weg, den du gehst, ich will dir Rat geben, über dir werden meine Augen sein." (Psalm 32,8) oder wie Buber übersetzt: "auf dich ist mein Augenmerk gerichtet."
Gott redet ganz vertraut mit euch. Er rät, wie einem ein guter Freund Rat gibt. Er schaut euch an mit dem Blick der Liebe. Wo Gott redet entsteht Leben, wo er hinschaut, blüht das Land auf. Sein Blick läßt euch aufblühen, wie die Sonne die Knospen hervorlockt. Die Kinder auf dem Luckauer Spielplatz vergewissern sich zwischendurch immer mal wieder, daß der Blick der Eltern auf ihnen ruht. Das gibt ihnen Sicherheit und Mut. "Meine Augen werden auf euch gerichtet sein", sagt Gott. Ihr dürft als Ehepaar unter dem freundlichen Anblick Gottes euren Weg gehen.
Dieser Gott wirft keine Gesetze vom Himmel, mit denen man selber klarkommen muß. "Er gibt Einsicht, er macht , daß ihr Verständnis gewinnt." Der Psalm redet hier von Gottes gutem Geist, der uns ein inneres Verstehen der Wege Gottes erschließt. Von ihm heißt es auch bei Jesaja "Deine Ohren werden hinter dir das Wort hören: Dies ist der Weg, den geht! Sonst weder zur Rechten, noch zur Linken." (Jesaja 30,21) Auch wenn wir so klare Führung selten erleben, können wir doch lernen, das Reden des Geistes zu hören: Da kann es sein, daß Gott euch die völlige Gewißheit schenkt, daß ein unerwarteter Weg der richtige für euch ist. Oder umgekehrt gibt euch der Geist eine Blockade und Bauchschmerzen bei einer Sache, die --- vernünftig betrachtet --- plausibel und richtig ist.
Gott sagt euch: "Ich werde euch lehren auf dem Weg, den ihr geht!" Es heißt im Hebräischen eben nicht, daß Gott den ganzen Weg vorher zeigt, sondern er lehrt euch, "in dem Weg/ während ihr auf dem Weg seid". Der Weg mit Gott ist also keine Pauschalreise, wo man alle Essensgutscheine schon vorher in der Hand hat, sondern unterwegs, im Wagnis für Gott wird seine Führung erlebt. Wir Deutschen wollen immer gerne alles vorher exakt durchkalkulieren: Reisen, Familienfeste und Lebenspläne. Gott zeigt aber meistens nur, was am nächsten Tag dran ist.
Euer Trauspruch sagt euch Gottes freundliche Leitung auf eurem Eheweg zu. Das schützt aber nicht davor, auch mal in die Irre zu rennen. Da ist es befreiend, zu wissen, daß wir bei ihm immer neu anfangen dürfen, daß sein Bund feststeht, auch wo wir ihn verletzt haben. Darum ist es schön, daß wir nachher das Abendmahl feiern, in dem Gott uns am Beginn dieses neuen Weges mit Melanie und Matthias in seiner Gnade fest macht und in die Gemeinschaft mit Jesus stellt.
Amen
© Copyright 1996: Pastor Jörg Gintrowski, Luckau